Ermittlungsausschuss übt Kritik „Polizei hat die Route der Nazis mit unnötiger Gewalt durchgesetzt“

PRESSEINFORMATION DES ERMITTLUNGSAUSSCHUSSES (EA)

Ermittlungsausschuss übt Kritik „Polizei hat die Route der Nazis mit unnötiger Gewalt durchgesetzt“

Hamburg, 3. Juni 2012

„Dieses Geschehen war vermeidbar“, kommentiert der Ermittlungsausschuss (EA) die Vorkommnisse am 2. Juni 2012 im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Aufmarsch der Neonazis. Ohne jede juristische Notwendigkeit habe die Polizei dem rechten Aufmarsch eine Ersatzroute verschafft und mit Gewalt durchgesetzt. In den vergangenen Jahren seien die Nazis hingegen wiederholt direkt wieder nach Hause geschickt worden.

Durch den Einsatz der Polizei seien Gegendemonstrant_innen, so der EA, eingekesselt, zum Teil schwer verletzt und in ihren Grundrechten beschnitten worden.

So sei ein 15jähriger ohne Benachrichtigung seiner Anwältin dem Haftrichter vorgeführt worden – „Es handelt sich um einen offenen Bruch mit rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien. Ein faires Verfahren und der Zugang zu seiner Anwältin wurden nicht gewährleistet, als der Minderjährige dem Haftrichter vorgeführt wurde.“, kommentiert Rechtsanwalt Alexander Kienzle das widerrechtliche Vorgehen. Der EA hat recherchiert, dass einem Rollstuhlfahrer durch den Polizeieinsatz die Hand gebrochen wurde. Drei Menschen seien im Krankenhaus behandelt worden, nachdem sie von Polizeikräften mit der Schlagwaffe Tonfa auf den Kopf geschlagen worden waren. Die genaue Zahl der Verletzten könne nicht ermittelt werden, da einige Verletzte unbehandelt – unter anderem mit Gehirnerschütterung – nach Hause gegangen seien.

Rolf Breier vom Ermittlungsausschuss erklärt dazu: „Tonfaschläge auf den Kopf sind lebensgefährlich und daher verboten. Die Polizei hat Aktivist_innen gezielt schwer verletzt.“

Anhand zahlreicher Zeugenaussagen sei erkennbar geworden, dass die Polizei aktiv die Möglichkeit auf Rechtsbeistand verhindert habe, so der EA: „Konkret wurde Menschen das Recht zu telefonieren verweigert mit der Begründung, es sei rechtlich nicht nötig.“

„Sehr fragwürdig“ sei auch das Verhalten des zuständigen Richters am Amtsgericht Wandsbek im Zusammenhang mit einer freiheitsentziehenden polizeilichen Maßnahme an der Kreuzung Wagnerstraße/ Gluckstraße. Die Polizei hatte hier rund 600 gegen den rechten Aufmarsch Demonstrierende bis zu sechs Stunden festgehalten. Die anwaltlich eingeforderte Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit des Kessels habe der Richter mit der Anmerkung zurückgewiesen, er sei nicht zuständig.

Der Ermittlungsausschuss hat sich zum Ziel gesetzt, das Recht auf Demonstrationsfreiheit zu schützen und durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund hat der EA die Gegenaktivitäten zum Naziaufmarsch am 2. Juni begleitet, Betroffene und Ingewahrsam-Genommene Aktionsteilnehmer_innen beraten und bei Bedarf anwaltlich vertreten.

Kontakt für Nachfragen: Rechtsanwalt Alexander Kienzle