18 Tage U-Haft nach dem zweiten Schanzenfest (2009)

Im Vorfeld des zweiten Schanzenfestes hatte die Innenbehörde bereits laut getönt, dass das Krawall-Wochenende schlechthin bevorstünde, bei dem mit schwersten Auseinandersetzungen zu rechnen sei und demnach schnell und hart durchgegriffen werden müsse. So kümmerten sie sich geflissentlich auch um die Umsetzung ihrer Prognose.
(Erstveröffentlichung auf indymedia)

Sowohl im Anschluss der antifa Aktionen wegen der Nazikundgebung als auch nach dem Schanzenfest fanden unseres Wissens nach jeweils zwei Zuführungen vor den/die Haftrichter_in statt, der/die über U-Haft entscheidet. Allein das ist für Hamburg ungewöhnlich und findet sehr selten statt. Einer der vier Betroffenen wurde am Sonntag in U-Haft genommen. Er ist Schweizer, ohne einen Wohnsitz in Deutschland, woraus der/die Richter_in „Fluchtgefahr“ abgeleitete. Zudem machte der Beschuldigte aus Übermüdung & Stress, in der Hoffnung dadurch endlich rauszukommen, selbstbelastende Aussagen. Nach Festlegung der U-Haft verlangte der Gefangene telefonieren zu dürfen, was ihm aber erst 4-5 Tage später erlaubt wurde, nachdem er sich im Knast beim Abteilungseiter beschwerte. Die einzige Nummer, die er auswendig wusste, war die seiner Eltern in der Schweiz. Wir erfuhren erst Tage später über seinen Mitbewohner den Namen und das Geburtsdatum. Diese Angaben benötigen die Anwält_innen um aktiv werden zu können. Er hatte sich in der Zwischenzeit bereits selber einen Anwalt über einen Mitgefangenen vermitteln lassen. Somit kam die von uns organisierte Anwältin einen Tag zu spät. Sein Anwalt erwies sich leider eher als schädlich denn nützlich. Er bestätigte die Befürchtung eines Schnellverfahrens, allerdings fehlt ihm eine politische Betrachtung dessen. Statt auf eine Haftprüfung zu setzten erinnert dieser Anwalt das Gericht damit das Schnellverfahren im Rahmen der Frist noch stattfinden könne. Somit fand dann nach 18 Tagen U-Haft die Gerichtsverhandlung statt. Zum erste mal wurde ein Schnellverfahren im Zusammenhang mit linken/linksradikalen Aktionen in Hamburg durchgeführt. Auf intensives Anraten des Anwaltes machte der Beschuldigte entgegen seiner eigenen Ansicht selbstbelastende Aussagen. Absurderweise wiesen sowohl der Staatsanwalt als auch die Richterin den Angeklagten darauf hin, dass er nichts zugeben solle, was er nicht getan habe, was ein wenig den Eindruck verdeutlicht, den Anwalt hinterliess. Das Urteil fiel für hamburger Verhältnisse erstaunlich hoch aus. Für versuchte Körperverletzung und Landfriedensbruch wurden 6 Monate auf 3 Jahre Bewährung verhängt. Nach seiner Haftentlassung wechselte er zu der von uns vermittelten Anwältin und sie legten Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Damit ist es nicht rechtskräftig. Über den weiteren verlauf dieses Prozesses werden wir euch dann informieren.

In Gesprächen mit ihm kamen wir gemeinsam darauf, dass er leider insgesamt ein gutes Beispiel dafür ist das einiges seine Situation hätte verbessern können.

In Hamburg hatte ihn niemand vermisst, da er sich nur auf der Durchreise befand. Dennoch hätten alle Beteiligten durch solidarischeres Verhalten dazu beitragen können, dass wir schneller hätten handeln können. Nach Medienberichten und unserem indymedia Aufruf hätten Mitdemonstrierende und Mitgefangene, mit denen er Kontakt hatte, sich an ihn erinnern müssen.

Dieses Beispiel zeigt nochmal, wie wichtig gute Vorbereitung ist:

Trefft absprachen in euren Gruppen / Freundeskreisen bevor ihr an Aktionen oder Demos teilnehmt. Redet aber auch mit euren Zellengenoss_innen, wenn ihr mitgenommen wurdet – aber nicht über eure Taten. Ihr könnt zb jeweils aufeinander warten, wenn ihr entlassen werdet oder fragt nach dem Grund, wenn jemand aus der Zelle abgeholt wird.
Versucht – egal was passiert – euch klar zu machen, dass Aussageverweigerung eine starke Position ist sich dem Mitwirken am Repressionsapparat zu verweigern und euch zudem schützt. Verlangt statt dessen nach eurem Telefonat und ruft uns (oder eure_n Anwält_in) an. Rechtsanwält_innen sind dazu da, euch und eure Vorgaben zu vertreten. Sie sollen sich nach euch richten, nicht andersrum. Sie sollen euch beraten, die Vorgehensweise legt ihr fest.